Am 25. Mai 2017 ist die Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte (Medical Device Regulation, kurz: MDR) in Kraft getreten. Der Geltungsbeginn, welcher ursprünglich für den 26. Mai 2020 vorgesehen war, wurde aufgrund der COVID-19 Krise um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 verschoben. Mit der MDR kamen zahlreiche Veränderungen auf alle Beteiligten zu: Prozesse und Abläufe in den Unternehmen mussten und müssen sich verändern und viele Regelungen der MDR müssen noch einheitlich interpretiert werden. Jetzt, im November 2021 6 Monate nach Geltungsbeginn, sind immer noch viele Leitlinie nicht finalisiert, diverse Rechtsakte zur Umsetzung befinden sich noch in der Erstellung und es existiert immer noch ein erschreckender Engpass bei den Benannten Stellen. Um den Medizinprodukte-Herstellern wie auch den Hersteller von sogenannten Kombinationsprodukten (Medizinprodukte-Arzneimittel-Kombinationsprodukte) eine Hilfestellung zu leisten, veranstaltete die FAH am 2. November und am 23. November 2021 eine zweigeteilte Informationsveranstaltung zur MDR und Arzneimittel-Medizinprodukte-Kombinationsprodukte.

Um den Medizinprodukte-Herstellern einen Überblick über den aktuellen Stand der Implementierung der MDR 6 Monate nach Geltungsbeginn zu geben, wurden am ersten Tag des Seminares, dem 2. November 2021, mit den Themen nationale Gesetzgebung (MPDG), UDI, klinische Prüfung und PMCF die „Highlights“ der MDR behandelt. Nach einer kurzen Einführung über den aktuellen Stand der Dinge durch Frau Dr. Wollersen (FAH) berichtete Frau Dr. Knauer (BMG) in ihrem Vortrag „Deutsche Gesetzgebung: Der aktuelle Stand! Wo müssen Hersteller überall fit sein?“ über die nationale Implementierung der MDR. Sie erläuterte den aktuellen Stand der MDR-Implementierung auf nationaler Ebene mit dem Medizinprodukteanpassungsgesetz. Um ein reibungsloses Zusammenspiel der MDR und der Verordnung (EU) 2017/746 mit dem stark ausdifferenzierten, auf den abzulösenden Richtlinien 90/385/EWG, 93/42/EWG und 98/79/EG basierenden deutschen Medizinprodukterecht sicherzustellen, war es erforderlich, das bisherige Medizinproduktegesetz (MPG) durch ein neues Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG) abzulösen. Weiterhin gab Frau Knauer einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der Implementierung von EUDAMED und die Pflichten während der Übergangszeit bis zur vollen Funktionsfähigkeit von EUDAMED. Im Anschluss gab Herr Dr. Schriever (BfArM) in seinem Vortrag einen Überblick darüber, was sich bei klinischen Prüfungen in Deutschland geändert hat. Hierbei lag der Schwerpunkt seines Vortrages auf den Antragsformen, den SAE-Meldepflichten sowie auf den neuen Aufgaben der Bundeoberbehörde im Bereich klinische Prüfungen. In der Übergangszeit, bis das Modul klinische Prüfungen in der Eudamed-Datenbank laufe, bleibe natürlich das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem (DMIDS), das elektronische Antragsportal in Deutschland. Für vor dem 26. Mai 2021 begonnene Prüfungen ändere sich an der Durchführung nichts, jedoch müssen SAEs und Produktmängel nach MDR gemeldet werden, fasste Herr Dr. Schriever am Ende zusammen. Nach einer kurzen Pause berichtete Frau Anton (BAH) über die UDI-Anforderungen aus der MDR und welche Anforderungen sich hierfür für die Medizinprodukte-Hersteller ergeben. Sie stellte die wichtigsten Bestimmungen im Zusammenhang mit der Einrichtung des UDI-Systems vor. Wichtig für die Hersteller seien im Besonderen die Fristen für die Einhaltung der UDI-Anforderungen.. Am Ende des Seminars referierte Frau Dr. Jasmin Lindner (Dr. Ebeling & Assoc. GmbH) über die veränderten Erwartungen für PMCF-Studien unter MDR im Gegensatz zur MDD. Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) sei ein kontinuierlicher Prozess zur Aktualisierung der klinischen Bewertung und damit Teil des PMS-Plans. Frau Lindner zeigte auf, wann ein Hersteller bzw. in welchem Umfang ein Medizinprodukte-Hersteller eine PMCF Studie durchführen muss.

Am zweiten Tag der Veranstaltung, am 23. November 2021, wurde in vier verschiedenen Vorträgen das breite Themenfeld der Arzneimittel-Medizinprodukte-Kombinationsprodukte erörtert und diskutiert. Herr Philipp Doebert startete mit seinem Vortrag „Kombinationsprodukte: Eine Einführung“ mit einer Übersicht über die Arzneimittel-Medizinprodukte-Kombinationsprodukte. Nachdem er kurz auf die Definitionen eines Arzneimittel und eines Medizinproduktes eingegangen ist, und die FDA Definition eines Kombinationsprodukts vorgestellt hat, präsentierte er die therapeutischen Anwendungsfelder sowie die Marktentwicklung und -perspektive von Kombinationsprodukten. Der Markt soll sich bis 2021 voraussichtlich auf über $180 Milliarden vergrößern. Er wiess auf dem Unterschied zwischen integralen Kombinationsprodukten und nicht-integralen Kombinationsprodukte hin. Nachfolgend berichtete Frau Alexandra Federer (GSK Consumer Healthcare) über Abgrenzung und Herausforderungen aus Sicht der Industrie. In zwei Charts gab sie kurz einen Überblick über die rechtlichen Anforderungen vor MDR-Geltungsbeginn und nach MDR-Geltungsbeginn. Sie stellte die Änderungen bei Arzneimitteln mit einem integralen Medizinprodukteanteil, die durch die MDR erfolgen, vor. Herausforderungen bilden u.a. die herrschende Unsicherheit im Hinblick auf der Prozessablauf, der Inhalt der Dokumentation, sowie die geringe Anzahl an MDR-Benannten Stellen. Die fehlenden Leitlinien seien eine große Herausforderung. Nach der Pause referierte Herr Felix Metzner (Dr. Regenold GmbH) über regulatorische Anforderungen für Kombinationsprodukte. Nachdem er Beispiele von Arzneimittel-Medizinprodukte-Kombinationsprodukten vorgestellt hat, stellte er die Leitungs- und Sicherheitsanforderungen (GSPRs) vor und erklärte, wie man die Einhaltung der GSPRs nachweisen könne. Er empfiehlt die Hersteller erstmal die Klassifizierung des Produktes festzulegen, eine Benannte Stelle auszusuchen falls notwendig, die verfügbare Dokumentation im Hinblick zum Medizinprodukt zu betrachten und zu schauen ob dadurch die GSPRs erfüllt werden könnten. Danach sollten die Hersteller das Dokumentationsformat entscheiden und ebenfalls das QMS anschauen. Am Ende seines Vortrages erklärte Herr Metzner die UDI Anforderungen der Systeme- und Behandlungseinheiten. Im Abschlussvortrag berichtete Frau Dr. Christiana Hofmann (TÜV SÜD Product Service GmbH) über Kombinationsprodukte aus Sicht einer Benannten Stelle. Die MDR würde zu einer Höherklassifizierung aller Kombinationsprodukten führen. Der Messbecher, welcher dem Hustensaft beigefügt ist, sei mit dem Arzneimittel kein integrales Kombinationsprodukt, sondern ein sogenannten „co-packaged device“. Die Klassifizierung sei entscheidend für die Auswahl des Verfahrens: bei Klasse I Produkten eine Selbsterklärung, bei Klasse Is/Im/IIa/IIb/III Produkten kann entschieden werden zwischen eine Stellungnahme der Benannten Stellen („Notified Body Opinion“) und eine Konformitätserklärung. Sie empfahl den Teilnehmern eine klare regulatorische Strategie zu überlegen, um die Fristen erfüllen zu können.

Am Ende der sehr gelungenen Veranstaltung dankte Frau Dr. Wollersen als Moderatorin allen Referenten und auch den Teilnehmer für die sehr regen und auf hohen fachlichen Niveau geführten Diskussionen.

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