Die REACH-Verordnung gilt für das Herstellen, Inverkehrbringen und die Verwendung von Stoffen als solche, von Stoffen in Gemischen und Erzeugnissen sowie für das Inverkehrbringen von Gemischen. Am 1. Juni 2018 trat die letzte Registrierungsphase von REACH in Kraft, d.h. Hersteller oder Importeure, welche Stoffe als solche und/oder Stoffe in Zubereitungen mit mehr als einer Tonne pro Jahr in Europa herstellen oder einführen, müssen diese registrieren.

Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller müssen sich indirekt wie auch direkt mit der REACH-Verordnung und ihren Folgen auseinandersetzen. So ist z.B. der Stoff Titandioxid derzeit sowohl im Lebensmittelbereich als auch im Chemikalienrecht ein zentrales Diskussionsthema. Weitere andere Stoffe werden europaweit immer stärker reguliert. Um Arzneimittel- und Medizinprodukte-Herstellern einen Überblick über die zurzeit aktuellen Themen im Bereich REACH zugeben und eine Hilfestellung zu leisten, veranstaltete die FAH am 2. März 2022 eine Informationsveranstaltung zum Thema „REACH: Herausforderungen für Arzneimittel- und Medizinprodukte-Hersteller z.B. Titandioxid“.

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Frau Dr. Wollersen (FAH) die Teilnehmer und betont noch einmal, dass die Regulierung von Stoffen durch REACH einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Sowohl Hersteller von Medizinprodukten als auch von Arzneimitteln müssen ihren Fokus hierauf lenken. Auch wenn Arzneimittel prinzipiell aus der REACH-Verordnung ausgenommen sind, tritt hier häufig auch immer eine indirekte Betroffenheit ein.

Im Anschluss an die kurze Einführung berichtete Herr Hartmut Scheidmann (Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte PartG mbB) in seinem Vortrag „REACH: Was passiert aktuell? Ein Weg durch das ECHA-Labyrinth“ über die aktuellen Entwicklungen zum Thema REACH. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) wurde im Jahr 2007 gegründet und setzt die EU-Chemikalienrechtsvorschriften in die Praxis um. Sie hilft Unternehmen die EU-Rechtsvorschriften REACH, Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung (CLP), die Biozidprodukteverordnung (BPV) und die Verordnung über die vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung (PIC) einzuhalten. Zu Beginn seines Vortrags legte Herr Scheidmann die Basics der REACH-Verordnung dar. Hier handelt sich hier um eine Verordnung, die unmittelbar gilt. Medizinprodukte fallen prinzipiell unter REACH, es gibt aber Ausnahmen. Arzneimittel sind prinzipiell ausgenommen, sie sind dann indirekt betroffen. Herr Scheidmann zeigte darüber hinaus die unterschiedlichen Listen und Tabellen, in denen sich die Hersteller über aktuelle Entwicklungen und Regulierungen von Stoffen informieren können. Hier erläuterte er detailliert die Zulassung von Stoffen und die SVHC (substance of very high concern) Stoffe. Zurzeit gibt es 273 verschiedene SVHC Substanzen. Zum Ende seines Vortrages erläuterte Herr Scheidmann das Beschränkungsverfahren der PFAS.

Im Anschluss gab Frau Dr. Daniela Allhenn (Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V.) einen regulatorischen Überblick über die Substanz Titandioxid. Frau Dr. Allhenn begann ihren Vortrag damit, den weiten Verwendungsbereich von Titandioxid dazustellen. Titandioxid ist chemisch inert und hat keine pharmakologischen Eigenschaften, unterstützt aber z.B. die Härte in Arzneimitteln. Hier leitete Frau Dr. Allhenn dann über, in welchem Zusammenhang Titandioxid in Arzneimitteln mit Nahrungsmitteln stehe.

Die Europäische Kommission hat am 7. Februar 2022 ein Verbot für die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff (E171) erlassen. Das Verbot wird nach einer sechsmonatigen Übergangszeit in Kraft treten. Der Text wurde am 18. Januar 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht, dementsprechend wird der Text Anfang August 2022 (20 Tage nach der Veröffentlichung + 6 Monate) vollständig in Kraft treten, referierte Frau Dr. Allhenn. Hieraus ergibt sich, dass bis zum 7. August 2022 Lebensmittel, die nach den vor dem 7. Februar 2022 geltenden Vorschriften hergestellt wurden (also mit Titandioxid) weiterhin in Verkehr gebracht werden dürfen. Nach dem 7. August 2022 dürfen Lebensmittel, die vor diesem Datum hergestellt und in Verkehr gebracht wurden, bis zu ihrem Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum auf dem Markt bleiben.

Entsprechend dem Verordnungsentwurf und seinem zugehörigen Anhang soll die Kommission nach Konsultation der EMA innerhalb von drei Jahren die Notwendigkeit der weiteren Verwendung von Titandioxid im Arzneimittelbereich überprüfen. Wie hier dann die Perspektiven sowohl für Arzneimittelhersteller als auch für Medizinproduktehersteller sind, machte Frau Dr. Allhenn deutlich. Mögliche abschließende Vorgehensweise bei Arzneimitteln ist Schutz der weiteren Verwendung von TiO2 (in einigen pharmazeutische Formulierungen zur Stabilisierung des Wirkstoffs benötigt) und natürlich eine Identifizierung geeigneter Alternativen zu TiO2.

Nach der Mittagspause berichteten Herr Dr. Hendrik Schütte (Krewel Meuselbach GmbH) und Dr. Klaus-Peter Stefan (ehemals 3 M, Medizinprodukte Spezialist) über Titandioxid aus Sicht eines Arzneimittel- und eines Medizinprodukteherstellers. Neben den Auswirkungen, die die neuesten politischen Entwicklungen haben, zeigten die beiden Referenten auf, welche Rolle Titandioxid sowohl für Arzneimittelhersteller als auch Medizinproduktehersteller, hier im speziellen Dentalhersteller spielt.

Herr Dr. Schütte stellte Beispiele für alternative weiße Farbpigmente vor. Mineralisch gebe es hier die Substanzen Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat. Organisch existieren Stärke, Fettsäuren und PEG-Fettsäureester. Herr Dr. Schütte betonte, dass er hier nur Arzneibuch-monographierte Hilfsstoffe berücksichtigt habe. Für Lebensmittel und Medizinprodukte seien ggf. andere Lösungen möglich. Wichtig seien die Robustheit und auch Prozesszeiten. Es seien höhere Einsatzmengen der Farbpigmente im Film nötig, um die Deckkraft zu erreichen und die Proesszeiten nicht zu stark erhöhen. Im Gegensatz zu Titanoxid seien Carbonate auch nicht chemisch inert, was auch zu verschiedenen Problemen führen würde. Im Folgenden zeigte er weitere Probleme der Ersatzstoffe wie z.B. das Auflösungsverhalten im Mund auf. Das Fazit, was Herr Dr. Schütte zieht ist, dass es akzeptable Ersatzstoffe gibt, jedoch keine Universallösung.

Herr Dr. Stefan stellte verschiedene Ersatzstoffe für Titandioxid in Medizinprodukten vor. So gibt es z.B. Materialien tierischen Ursprungs (Perlmutt-, Muschelschalen-, Eierschalenweiß …), ihr Einsatz würde aber dazu führen, dass die Medizinprodukte der Risiko-Klasse 3 zuzuordnen sind. Toxikologisch problematisch seien weitere Stoffe wie z.B. Bleiweiß, Quarzmehl, Cristobalitmehl und eine geringe Beständigkeit in sauren Medien weisen Lithopone, Kalzium- oder Magnesiumcarbonate auf. Substanzen wie z.B. Zinksulfid, Kaolin haben einen Farbstich und Lenzin, Calcit, Dolomit, Bergkristall haben nur eine geringe Deckkraft. Als Fazit resümierte Herr Dr. Stephan, dass ein 1:1 Ersatz kaum möglich sei, Ersatzprodukte ebenfalls feine Pulver seien und die Gefahr bestehe, dass es zu einer analogen Einstufung wie Titandioxid komme und daher ein Ersatz von Titandioxid in Medizinprodukten in vielen Fällen kaum machbar sei.

Im Anschluss gab Herr Dr. Franz-Manfred Schüngel (Merck Healthcare KGaA) in seinem Vortrag „Mikroplastik – ein persistentes Problem“ einen Überblick über das Thema. Im Januar 2019 schlug die ECHA eine weitreichende Beschränkung von Mikroplastik in Produkten vor, die in der EU in Verkehr gebracht werden, um seine Freisetzung in die Umwelt zu vermeiden oder zu verringern. Von März bis September 2019 fand eine Anhörung zu dem Vorschlag der Beschränkung statt. Es gingen 477 individuelle Kommentare bei der ECHA ein. Die Beschränkungsmaßnahme werde voraussichtlich in diesem Jahr verabschiedet. Herr Dr. Schüngel wies darauf hin, dass, da die Beschränkung noch nicht in Kraft ist, seien Änderungen jederzeit möglich und im Detail auch wahrscheinlich. In diesem Stadium des Prozesses sei allerdings nicht mit tiefgreifenden Änderungen oder Ausnahmen zu rechnen. Tabletten gelten als Mikroplastik, wenn sie kleiner als 5 mm seien (und mit Polymeren beschichtet sind oder diese enthalten). Excipients gelten als Mikroplastik, wenn sie feste partikuläre Polymere sind, keine unmodifizierten Naturstoffe, und nicht wasserlöslich oder biologisch abbaubar. Bei allen Rohstoffen muss der Lieferant über enthaltenes Mikroplastik informieren. Am Ende seines Vortrages stellte Herr Dr. Schüngel noch 7 Fragen und die erhaltenen Antworten der EFPIA an die EU-Kommission vor.

Am Ende des Seminars referierten Alexander Brunner (DMG Dental-Material-Gesellschaft mbH) und Dr. Andreas Lawerenz (VOCO GmbH) welche Stoffe aktuell aus Sicht eines Dentalherstellers neu geregelt werden. Beide berichteten am Beispiel von Stoffen wie Eugenol und TPO als „Startersubstanz“ (Diphenyl(2,4,6-trimethylbenzoyl)phosphine oxide) wie Hersteller damit umzugehen haben. Besonders wichtig sei hier auch die Mitarbeit im Rahmen der verschiedenen Verbände, um Dokumente etc. zu erarbeiten.

Am Ende der sehr gelungenen Veranstaltung dankte Frau Dr. Wollersen allen Referenten und auch den Teilnehmer für die sehr regen und auf hohem fachlichem Niveau geführten Diskussionen.

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